Es war trüb.
Der Himmel war so vollkommen mit grauen und schwarzen Wolken verhangen, dass sie auf das Dach des Autos, in dem ich saß, zu drücken schienen.
Der Regen prasselte gegen die Windschutzscheibe und die beiden Scheibenwischer führten ihren scheinbar aussichtslosen Tanz auf.
Ich schaute aus dem Fenster und alles was ich sah war grün.
Die dicken Stämme der hohen Bäume waren mit Moos bewachsen und ihre Kronen bildeten ein Dach, welches den Regen doch nicht zurückhalten konnte.
Es war so viel grün.
Zu viel grün ...
Ich kam aus Miami verdammt!
Hatte mich von der Sonne weg in die grüne Einöde bewegt.
Ich wand den Blick und schaute in das Gesicht von John, meinen Dad.
Seine Haare hatten einen braunen Farbton, welcher mit sachtem grau durchzogen war. Es war genau so glatt wie meins.
Sein eigentlich junges Gesicht zeigte hie und da bereits Anzeichen des Alters: Eine lange Falte hatte sich mit der Zeit in seine hohe Stirn gefressen und um seine Augen lag der Anflug eines Schattens.
Er war dünn, genau wie ich, im Ansatz muskulös. Eine der guten Dinge, die ich von John geerbt hatte.
Er musste meinen Blick gespürt haben, denn seine Augen huschten kurz zu mir.
"Es ist schö- Ähm ... Deine Haare sind kürzer."
Ich musste mir das Augenrollen verkneifen.
Wir waren beide nicht für Smalltalk gemacht.
"Sie sind länger als bei unserem letzten Treffen.", sagte ich.
"Oh."
Schweigen.
Zum Regen kam jetzt noch Graupel dazu und John wurde automatisch langsamer.
"Jo- Ähm, ich meine Dad," - er mochte es nicht, wenn ich ihn John nannte - "ich wollte mit dir über etwas sprechen - ähm - also in Miami brauchte ich eigentlich keins aber hier - ähm - also ich wollte dich fragen -"
John wand mir, an der wohl einzigen Ampel auf dem Weg von Port Angeles nach Forks, das Gesicht zu und grinste - ja "grinste" war das genau richtige Wort - mich an.
"Es geht um ein Auto, oder?" Es klang nicht wirklich wie eine Frage.
Verdammt!
Meine Mutter hatte also gepetzt.
Sie hatte mir nie erlaubt in Miami ein eigenes Auto zu haben.
Zugegeben, in Miami brauchte man auch nicht unbedingt ein Auto.
Aber hier?
In meinem selbst gewählten Exil?
Wie sollte ich hier ohne Auto überleben?
"Ähm - Ja, darum geht es.", gestand ich.
John grinste noch etwas breiter und wand sich dann wieder der Straße zu.
"Ich denke darüber genau wie deine Mutter.", sagte er überraschend trocken.
Ich warf mich im Sitz zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Toll!
Hätte meine Mutter doch nur den Mund gehalten.
Sicher hätte ich Peter überzeugen können, dass ich ein Auto brauchte. Ich hatte sogar Geld gespart dafür. Nicht viel (ein gutes Auto wäre nicht drin gewesen) aber es hätte gereicht.
Aber jetzt!?
Wenn meine Mutter bereits mit John gesprochen hatte, konnte ich ihn sicherlich nicht mehr umstimmen. Er würde Meredith nicht in den Rücken fallen.
Mein eigenes Auto war in weite Ferne gerückt und mir blieb wohl nichts anderes übrig, als in dieser verregneten Einöde zur Schule zu laufen.
Das wurde ja immer besser ...
Als wir an dem "Willkommen in Forks"-Schild vorbei fuhren, fühlte es sich für mich so an, als würde der Türriegel einer Gefängniszelle ins Schloss fallen.
Ich seufzte und schaute wieder aus dem Fenster.
John war seit einem Jahr der Sheriff von Forks, nachdem sein Vorgänger zum Polizeichef von Port Angeles geworden war. Diese Tatsache erklärte auch, warum ich grade in einem Streifenwagen saß. Ich seufzte innerlich als die Bäume an uns vorbei zogen. Ich vermisste meine Mutter. Meine verrückte, chaotische herrlich liebenswerte Mutter. Doch es war das beste so! Sie war nicht glücklich mit der Tatsache, dass sie ihren neuen Mann nicht auf seinen Reisen begleiten konnte. Also hatte ich mein Exil in Forks gewählt um sie glücklich zu machen. Was war schon ein Jahr?
Wir erreichten das kleine Haus, welches John einst zusammen mit meiner Mutter gekauft hatte, und mein Vater parkte in der Einfahrt hinter einem rostroten Transporter.
Ich beachtete das Auto vor lauter Frust kaum.
Es interessierte mich nicht, ob Besuch da war. Ich würde mich in mein Zimmer einschließen und erst mal schmollen.
Erst als John den Motor ausgestellt hatte aber keine Anstallten machte auszusteigen ging mir langsam ein Licht auf.
"Dein neues - naja für dich neues - Auto.", verkündete er strahlend.
"Ich - Was? - Nein!", stammelte ich.
"Ich Karre hat schon einiges aus dem Buckel.", gestand John und seine Wangen färbten sich rot.
Noch eine Gemeinsamkeit.
"Es ist ein 1953 Chevrolet Pickup Truck. Ich habe ihn Charlie Swan abgekauft, du weißt schon, der ehemalige Sheriff. Er hatte seiner Tochter gehört. Der Motor war hinüber aber ich habe den aus der Garage einbauen lassen."
Ich konnte nur mit einem kleinen Teil meines Verstandes an den Motor denken, welchen meine Eltern zum Anfang ihrer Ehe zusammen gekauft hatten und an dem John oft gebastelt hatte. Der größere Teil meines Verstandes rief: Ich habe ein Auto!
Ich schnallte mich ab und fiel meinem Vater um den Hals.
"Danke, Dad! Das ist unglaublich. Der Wagen ist super."